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Freie Software in der Rechtsanwaltskanzlei?

Für Rechtsanwälte gibt es seit Jahren spezialisierte Softwarelösungen. Leider bleibt bei diesen die Kompatibilität mit freier Software auf der Strecke, da Microsoft Office und andere Anwendungen als Mindestanforderungen geführt werden und teilweise tief in den jeweiligen Anwendungen integriert sind. Das schränkt die Freiheit unseres Berufstandes ein und ist nicht im Interesse unserer Mandant:innen.

Wir Rechtsanwälte haben strenge Anforderungen an die Kanzleiorganisation. Eine saubere Aktenführung und Fristenverwaltung ist wichtig, um Fehler zu vermeiden, die für unsere Klient:innen fatale Folgen haben könnten. Natürlich müssen wir auch rasch unsere Leistungen dokumentieren und abrechnen können. Wir sind verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zu nutzen und möchten nicht darauf verzichten, die Akteneinsicht in dem neuen Strafakt elektronisch vorzunehmen.

Für all das und vieles mehr gibt es in unserer Branche eine Handvoll von Softwareanbietern. Sie bieten sehr umfangreiche Softwarepakete an, die sowohl den Anforderungen des/der allein tätigen Rechtsanwält:in als auch jener der großen Rechtsanwaltsgesellschaften entsprechen (müssen).

Wo liegt das Problem?

Weder die Funktionsvielfalt oder die Kosten für diese Anwendungen sind (m)ein Problem. Das Problem liegt in der Einbindung bzw. Integration von bestimmten Anwendungen, allen voran Microsoft Windows, Microsoft Office u.a. Diese Verknüpfung der Rechtsanwaltssoftware A mit den Anwendungen des Softwareanbieters B hat zur Folge, dass man als Rechtsanwält:in um die Nutzung der Produkte von B nicht herumkommt, wenn man sich für die Anwaltssoftware von Anbieter A entschieden hat.

Dabei gibt es zahlreiche bewährte Alternativen zu Microsoft Windows und Microsoft Office. Allen voran das seit mehr als 30 Jahren existierende freie Betriebssystem GNU Linux und MacOS von Apple. Mit Libre Office gibt es eine seit vielen Jahren gereifte Office Suite, die im Gegensatz zu Microsoft 365 auch keine datenschutzrechtlichen Fragen aufwirft. Mozilla Thunderbird ist eine sehr bewährte und beliebte Alternative zu Microsoft Outlook. Ich setze seit vielen Jahren auf diese Anwendungen, auch in der anwaltlichen Praxis. Gerade für kleine Rechtsanwaltskanzleien mit nur wenigen Mitarbeiter:innen handelt es sich um praktikable Anwendungen und sinnvolle Alternativen zu den Angeboten von Microsoft und anderen.

Im Zusammenspiel mit spezialisierten Softwareanwendungen für Rechtsanwälte stößt man aber auf – teilweise – unüberwindbare Probleme, welche die Nutzung entweder ganz ausschließen oder diese soweit einschränken, dass man sich fragt, ob man diese Software überhaupt einsetzen möchte.

Die Verwendung von Linux wird von keinem Anbieter unterstützt. Hier ist man auf die Nutzung einer virtuellen Maschine angewiesen. Wenig bis gar keine Kompatibilität gibt es bei Libre Office.

Was wäre die Lösung?

Es ist aus meiner Sicht essentiell, dass Rechtsanwält:innen bei Ihrer Arbeit eine Vielzahl von unterschiedlichen Anwendungen zur Verfügung stehen. Nur dadurch kann die Abhängigkeit von wenigen oder sogar einem einzigen Softwareanbieter verhindert werden. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen selbst ein Textverarbeitungsprogramm in der Standardausführung nur mit Cloudanbindung vertrieben wird (Anm.: Microsoft 365).

Der Schutz der Daten unserer Mandant:innen sollte nicht deshalb gemindert werden, weil wir keine alternative Software einsetzen können oder wollen.

Es bräuchte daher einerseits genügend Rechtsanwält:innen und eine entsprechende Nachfrage, um österr. Anbieter von Rechtsanwaltssoftware dazu zu bewegen, freie Software stärker einzubinden und zu unterstützen.

Andererseits sollten alternative Softwareangebote gefördert werden. Deutsche Kolleg:innen können, wenn sie wollen, die quelloffene Software j-lawyer verwenden. Hinter dieser Anwendung steht eine recht lebendige Gemeinschaft deutscher Rechtsanwält:innen in Deutschland, die das Projekt auch finanziell unterstützen und damit weiterentwickeln. Auf deren Website kann eine Testumgebung online ausprobiert werden. Diese Software selbst kann kostenlos installiert und genützt werden. Der Hersteller verdient an den angebotenen Serviceleistungen. J-lawyer könnte bereits jetzt für die Akt-, Termin- und E-Mailverwaltung eingesetzt werden. Um sie für eine:n österreiche:n Rechtsanwält:in alltagstauglich zu machen, bedarf es aber einiger Adaptionen.

Ich werde mich darum bemühen, eine Adaption von J-lawyer für österreichische Rechtanwält:innen voranzutreiben und in Österreich eine Community von interessierten Rechtsanwält:innen aufzubauen. Mein Anliegen verfolgt dabei keinen kommerziellen Zweck. Vielmehr soll es österr. Rechtsanwält:innen ermöglicht werden, in größerem Ausmaß selbst zu entscheiden, welche Werkzeuge in der alltäglichen Arbeit eingesetzt werden; ohne auf den Komfort und die Effizienz einer spezialisierten Software zu verzichten.

Den Stand meiner Bemühungen dokumentiere ich in diesem Thread im Forum von j-lawyer. Für die Kontaktaufnahme, Anregungen oder auch Kritik schickt mir eine E-Mail an niederhammer[at]kanzlei-hahngasse.at oder kontaktiert mich über meinen Mastodon Account @nieral@wien.rocks.

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