Die Familienzusammenführung ist eine der bedeutendsten Formen der Zuwanderung nach Österreich. Aus nachvollziehbaren Gründen. Dem Statistischen Jahrbuch Migration und Integration für 2021 (pdf) ist zu entnehmen, dass 2020 mehr als 18.000 Aufenthaltstitel aufgrund von Erstanträgen erteilt wurden. Rund 10.400 fielen dabei in den Bereich der Familienzusammenführung. Nur rund 1400 waren Aufenthaltstitel für Schlüsselarbeitskräfte.
Beim Begriff Familienzusammenführung denken viele zunächst an Ehepaare bzw. heute auch eingetragene Partner:innen. Aber was ist mit der eigenen Schwester, dem Cousin oder dem Onkel? Kann mein volljähriges Kind ebenfalls zu mir nach Österreich kommen? Dieser kurze Beitrag soll einen Überblick über die Familienzusammenführung im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) geben.
Wer ist mein Familienangehöriger?
Das ist nur auf dem ersten Blick eine einfache Frage. Natürlich zählen Onkel, die Cousine und Großeltern zur Familie. Diese Angehörigen sind aber keine „Familienangehörigen“ nach dem NAG.
Das NAG hat eine sehr enge Defintion des Familienangehörigen und zählt nur den:die Ehegatt:in und eingetragene:n Partner:in und minderjährige ledige (also unverheiratete) Kinder (einschließlich Stief- und Adoptivkinder) zum Kreis der „Familienangehörigen“.
Eltern, Geschwister, volljährige Kinder sowie Verwandte, zu denen eine besondere Bindung (das Gesetz nennt in § 47 drei Fälle) besteht, werden als „Angehörige“ bezeichnet.
Ob jemand nur seine „Familienangehörigen“, dh seine Kernfamilie, oder auch „Angehörige“ nachholen kann, richtet sich vor allem nach dem Aufenthaltsrecht bzw. der Staatsangehörigkeit der Person, die schon in Österreich lebt. Diese Person wird im Gesetz als „Zusammenführender“ bezeichnet.
Nur „Angehörige“ von Österreicher:innen und – aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage – von Unionsbürger:innen, können einen Aufenthaltstitel beantragen bzw. können ein Aufenthaltsrecht in Österreich erhalten.
„Angehörige“ von Drittstaatsangehörigen haben keine Möglichkeit auf ein Aufenthaltsrecht. Die Familienzusammenführung zwischen Drittstaatsangehörigen ist also auf den engen Kreis der „Familienangehörigen“ beschränkt.
Beispiel: Ein Mann aus Georgien, der Zusammenführende, hat in Österreich einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU (oder eine Rot-Weiß-Rot Karte Plus). Im Rahmen der Familienzusammenführung kann nur seine Ehepartner bzw. eingetragener Partner einen Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte Plus beantragen. Seine Eltern, Geschwister oder auch volljährigen Kinder bleiben außen vor.
Neben den schon erwähnten Unterschieden, welche Angehörigen nachkommen können, gibt es im NAG weitere Unterschiede, abhängig davon, welchen Aufenthaltstitel der/die Zusammenführende hat. Etwa welcher Aufenthaltstitel beantragt werden kann, mit oder ohne Arbeitsmarktzugang, ob eine Quotenpflicht besteht oder ob der/die Familienangehörige einen Nachweis von Deutschkenntnissen erbringen muss, uvm.
Unterschiedliche Gesetze für die Familienzusammenführung von Angehörigen
Die bisherigen Ausführungen haben sich auf das NAG bezogen. Für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte gibt es eigene Regeln im Asylgesetz (AsylG).
Familienangehörige von den bereits erwähnten Unionsbürger:innen (und Österreicher:innen die ihr Recht auf Freizügigkeit genützt haben) finden die Grundlage für ihr Aufenthaltsrecht in der Freizügigkeits-Richtlinie der EU (RL 2004/38/EG). Es handelt sich um eine andere Rechtsgrundlage. Viele Beschränkungen im NAG, etwa das Erfordernis, dass der/die Ehgatte/Ehegattin zum Zeitpunkt der Antragstellung das 21. Lebensjahr überschritten haben muss, finden im Fall von Unionsbürger:innen und ihren Familienangehörigen keine Anwendung.
Sonderregeln gelten auch für türkische Staatsangehörige sofern für Sie das Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und der EG (Beschluss 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei – kurz: ARB 1/80) gilt.
Fazit
Welche Angehörigen für eine Familienzusammenführung in Frage kommen, ist nicht in jedem Fall eine einfach zu beantwortende Frage. Es lohnt sich, die aufenthaltsrechtliche Situation aller Beteiligten näher zu betrachten. In unserer Praxis haben sich schon oft Möglichkeiten ergeben, die auf den ersten Blick nicht erkennbar waren.
Haben Sie Fragen oder brauchen Sie Unterstützung bei einer Familienzusammenführung? Hier können Sie einen Termin für ein unverbindliches Erstgespräch buchen.
Foto: By Adine Maceno via www.pexels.com