Der Standard berichtete kürzlich (Link zum Artikel), dass gegen Aktivist:innen der Letzten Generation nach Protesten in Graz und Wien Freiheitsstrafen anstelle von Geldstrafen verhängt wurden. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die Voraussetzungen von Freiheitsstrafen im Verwaltungsstrafrecht geben.
Strafen im Verwaltungsstrafverfahren
Verwaltungsübertretungen gelten im Allgemeinen als weniger gravierend als gerichtlich strafbare Handlungen nach dem StGB. Das österreichische Rechtssystem reflektiert dies durch den vorrangigen Einsatz von Geldstrafen zur Ahndung solcher Übertretungen. Unter bestimmten Umständen kann jedoch die primäre Freiheitsstrafe vorgesehen werden.
Die Rechtslage nach dem Verwaltungsstrafgesetz
Die Freiheitsstrafe ist in den §§ 11 und 12 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) geregelt. Die Freiheitsstrafe kann als primäre Strafe verhängt werden oder – wie in den überwiegenden Fällen – als Ersatz für eine Geldstrafe zur Anwendung kommen, wenn der/die Betroffene die Geldstrafe nicht bezahlen kann.
Die primäre Freiheitsstrafe ist auf besondere Fälle beschränkt. Eine primäre Freiheitsstrafe ist nur zulässig, „wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten“ (§ 11 VStG). Sie ist ausschließlich aus Gründen der Spezialprävention zulässig. Andere von ähnlichen Übertretungen abzuhalten (Generalprävention) sollte bei der Verhängung einer Freiheitsstrafe keine Rolle spielen.
Ein Freiheitsstrafe soll nur verhängt werden, wenn die Schwere der Übertretung oder das wiederholte Fehlverhalten des Täters eine härtere Maßnahme erfordern, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten. Dies kann in Bereichen wie Umweltschutz, öffentliche Sicherheit und schwerwiegende Verkehrsdelikte der Fall sein.
Verhältnismäßigkeit
Obwohl gesetzlich vorgesehen, müssen primäre Freiheitsstrafen dennoch den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit entsprechen und Notwendigkeit sein. Sie sind sorgfältig zu handhaben, um sicherzustellen, dass sie mit den Grundrechten der Betroffenen übereinstimmen.
Die ungerechtfertigte Verhängung einer Freiheitsstrafe kann das Recht auf persönliche Freiheit beeinträchtigen. Zudem ist zu beachten, dass nach Art. 3 Abs. 2 des Personalfreiheitsgesetzes (PersFrG) Verwaltungsstrafen nur bis zu einer Höchstdauer von 6 Wochen verhängt werden dürfen. Eine Freiheitsstrafe, die über 2 Wochen hinausgeht, ist lediglich dann zulässig, wenn besondere Erschwerungsgründe dies erforderlich machen, wie es in § 12 Abs. 1 zweiter Satz VStG festgelegt ist. Diese Regelungen unterstreichen die Wichtigkeit der Verhältnismäßigkeit und der sorgfältigen Abwägung bei der Verhängung von Freiheitsstrafen im Verwaltungsstrafrecht.
Fazit
- Die Verhängung von primären Freiheitsstrafen bei Verwaltungsübertretungen ist in Österreich die Ausnahme und nicht die Regel.
- Sie sollte nur in Sonderfällen zur Anwendung kommen und auch nur dann, wenn die Verhängung verhältnismäßig ist.
- Wie im Artikel des Standard berichtet, handelte es sich um Verwaltungsübertretungen nach dem Versammlungsgesetz bzw. des Sicherheitspolizeigesetzes. Nach dem Versammlungsgesetz macht man sich strafbar, wenn man den Ort der Versammlung nach deren Auflösung nicht umgehend verlässt. Ob es hier zu schwerwiegenden Eingriffen in die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kam, steht keineswegs fest.
Bedenklich ist, dass die Verhängung von Freiheitsstrafen wegen Übertretungen des Versammlungsgesetzes andere davon abhalten könnte, von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen. Primäre Freiheitsstrafen sollten bei bloßen Verwaltungsübertretungen des Versammlungsgesetzes, ohne dass es zu weiteren schwerwiegenden Übertretungen gekommen ist, aus unserer Sicht nicht verhängt werden.
Autor:innen: Ralf Niederhammer und Sharon Minhas
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